Wolkenreise für Demian

(oder: Die Gedanken sind frei…)

 

Gedanken von Alex nach unserem Besuch in Hamburg am 18.11.2013

Die letzten Wochen und Monate 

waren bestimmt anstrengend für Dich, kleiner Mützenmann. 

Vieles, was bisher so vertraut und selbstverständlich war, 

scheint plötzlich und unverständlicherweise nicht mehr da zu sein.

 

Du strahlst, als Du uns siehst, 

aber Dein gewohnt ernstes Gesichtchen 

scheint dieses Strahlen nicht reflektieren zu können. 

Dein Mund formuliert muntere Endlossätze, 

Wortgeflichte, die Kapriolen schlagen - 

aber Deine Augen sprechen eine andere Sprache. 

…getragen für den Moment von Deinem Papa, der Dich hält 

und doch wieder loslassen muss.

 

Du bist ein Kämpfer, ein kleiner Krieger, ja… 

Und da sind ja auch noch Deine Flügel und Dein Schwert, 

welche Dir mitgegeben wurden von all den lieben Menschen hier. 

Menschen, die Augen hatten, zu sehen, wo andere lieber wegsahen. 

Die Ohren hatten, zu hören, wo andere lieber weghörten. 

Die ihren Mund dazu gebrauchten, fassungslos Jenes auszusprechen, 

was so Unfassbar anmutete, 

während sich andere lieber hinter Sprachlosigkeit oder Schweigen versteckten…

 

Aber, kleiner Mützenmann, 

um die Flügel zu bewegen, braucht man Kraft - 

oder wenigstens einen kleinen Aufwind. 

Und auch das Schwert verlangt, sicher und gezielt geführt zu werden. 

Ein schwieriges Unterfangen, 

wenn man zunächst erst einmal recht unsicher und auch ziellos versucht, 

seinen Weg weiter zu gehen. 

….vielleicht sind sie aber auch einfach weggeräumt worden 

oder beim Umzug „verloren gegangen“ wie so Vieles 

und Du hast darauf gar keinen Zugriff mehr?

 

Schau aus dem Fenster, Demian! 

Schau über die Dächer der Großstadt hinweg in den Himmel 

und erinnere Dich! 

Dort schweben sie weiterhin, diese dicken, weißen Gebilde, 

die Dich auf eine Wolkenreise einladen - 

jeden Tag, wann immer Du es möchtest 

und die Deiner Fantasie wieder ihre Flügel zurück geben!

 

Du siehst eine besonders dicke Wolke, 

strahlend weiß und mächtig aufgebauscht kommt sie daher gesegelt. 

Genau vor Deinem Fenster unterbricht sie ihren Himmelsflug, 

wippt ein paarmal einladend hin und her 

und scheint Dir zuzurufen: 

„Hallo, kleiner Freund! Hast Du Lust auf eine kleine Reise 

in die Welt der bunten Fantasie?“

 

Natürlich hast Du Lust 

und noch ehe Du Dir Gedanken darüber machen musst, 

wie Du denn zur Wolke gelangen kannst, 

wird mit einem schnurrenden „rrrrratattammmmm“ 

eine Strickleiter zu Dir herunter gelassen.

 

Verblüfft lachst Du auf 

und kletterst flink wie ein Wiesel Sprosse um Sprosse zur Wolke hinauf. 

Oben angekommen, lässt Du Dich mit einem fröhlichen Juchzen 

in die weichen, kuscheligen Wolkenkissen fallen 

und machst es Dir bequem.

 

Die dicke Wolke wackelt noch einmal hin und her 

und schon kann es losgehen. 

Sanft schwebt sie los, es ist hell und warm, 

die Novembersonne kitzelt Dich mit ihren Strahlen an der Nase 

und vom Lärm der vierspurigen Straßen mit ihren vielen Autos 

ist nichts mehr zu hören. 

Ein leichter Wind streichelt Dich und summt Dir aufmunternd die Melodie 

von „die Gedanken sind frei“ zu - 

und getragen von diesem Lied geht die Wolkenreise quer übers Land.

 

Du liegst auf dem Bauch und schaust hinunter, 

während Du dabei vergnügt mit den Füßen wackelst. 

Staunend beobachtest Du, wie sich die Landschaft langsam verändert.

 

Wo eben noch ein Meer von Häusern stand 

mit endlos langen, dichtbefahrenen Straßen, 

erstrecken sich nun weite Felder und endlose Wälder, 

extra bunt angemalt für Dich von der Herbstfee.

 

Ein kleines Herbststürmchen braust durch die Bäume 

und trägt ein paar der bunten Blätter zu Dir herauf, 

die wie kleine, muntere Drachen um Dich herum tanzen. 

Laut auflachend versuchst Du, sie einzufangen, 

aber da wird Deine Aufmerksamkeit schon wieder nach unten gelenkt.

 

Wie durch ein Vergrößerungsglas siehst Du auf einem Feld 

zwei Hasen auf ihren Hinterbeinen stehen, die Dir freundlich zuwinken, 

während drei Rehe mit einem Igel und einem Fuchs am Waldesrand Verstecken spielen.

 

Du winkst mit beiden Händen zurück 

und bestaunst die Flüsse und Bäche dort unten, 

die sich wie silberne Bänder glitzernd durch das Land ziehen.

 

Die Wolkenfahrt geht weiter über Städte und kleine Dörfchen 

und so manches Mal hältst Du gespannt den Atem an, 

wenn ihr besonders nah an einem Kirchturm vorbei segelt. 

Und jedes Mal grüßt ein Wetterhahn 

mit einem lauten „Kikeriki“ Deinen Wolkenflug.

 

Du fühlst Dich frei und leicht, 

Du kannst in der klaren Luft gut durchatmen 

und alles ist schön und schwerelos.

 

Plötzlich reibst Du Dir erstaunt die Augen 

und schaust noch genauer hinunter. 

Ist dort unten nicht der Neuwieder Abenteuerspielplatz?

 

Und dieser aufgedrehte, große Kerl, 

der wie wild auf dem Trampolin auf und nieder hüpft 

und dabei heftig winkt… Ist das nicht Passy?

 

Die Sprünge von ihm werden immer kühner und höher.

Da - jetzt hüpft er so hoch, 

dass sein Gesicht über Deinen Wolkenrand hinweg schauen kann. 

Und tatsächlich: es ist Passy, der Dich da angrinst.

 

Voller Freude lädst Du ihn ein, 

mit Dir weiter zu reisen 

und Passy lässt sich mit einer Rolle vorwärts 

an Deine Seite niederplumpsen.

 

Lachend bemerkt ihr beide, 

wie die dicke Wattewolke kurz erschüttert wackelt, 

bevor sie wieder ruhig und gemütlich weiter segelt.

 

Ihr habt Euch so viel zu erzählen und zu Lachen, 

dass ihr kaum bemerkt, 

wie weit ihr schon wieder gekommen seid auf Eurer Reise.

 

Auf einmal ist von unten 

irgendwo ein dunkles, behäbiges Gebelle zu hören 

und eine helle Jungenstimme ruft: 

„He, Demian, mein Freund, 

wie wäre es denn mit einer Runde Spielen?“ 

 

Überrascht schaust Du hinab und bemerkst, 

wie die Wolke, längst schon am Babyweg vorbei, 

quer über dem Garten Deines Bornicher Zuhauses steht 

und den Anker gesetzt hat.

 

Und dort im Garten stehen Dein Papa, die Alex und Dein Freund Nico, 

die von einem wild umherlaufenden, schwanzwedelnden Bolle umrundet werden, 

der ganz aufgeregt bellt, weil er endlich seinen Kumpel wieder sieht.

 

Schnell kletterst Du mit Passy zusammen 

an der Ankerkette nach unten, 

um alle zu begrüßen 

und ihnen von Deiner abenteuerlichen Reise zu berichten.

 

Dein Papa, Alex, Nico und auch Bolle hören Dir gespannt zu 

und ihr verabredet Euch, 

die nächste Wolkenreise gemeinsam zu machen.

 

Du spielst noch eine Runde "Klammern verstecken" mit Deinen Lieben, 

um Dich dann schließlich mit einer innigen Umarmung 

von Ihnen zu verabschieden.

 

Bolle legt Dir wie immer seine dicke Pfote in die Hand 

und leckt Dir noch einmal sabbernd über den Nacken.

 

Mit einem leisen Lachen kletterst Du wieder auf Deine Wolke, 

die geduldig gewartet hat, Dir aber nun leise zusäuselt, 

dass es jetzt Zeit ist für die Heimreise. 

Ein letztes Mal winkst Du noch hinunter in den Garten, 

dann kuschelst Du Dich zufrieden und auch etwas müde 

in die weichen Wolkenkissen.

 

Der Himmel über Dir wird langsam dunkel, 

der Mond zündet seine Himmelslaterne 

für Deinen Schwebeflug nach Hause an 

und tausende von Blinkesternchen 

weisen Euch den Weg zurück.

 

Du schließt Deine Augen, 

freust Dich noch einmal über all die schönen Dinge, 

die Du erlebt hast 

und schläfst mit einem wunderbaren Gefühl im Herzen ein.

 

Als Du am nächsten Morgen 

wie selbstverständlich in Deinem Bett wach wirst, 

reckst und streckst Du Dich ausgiebig, 

gähnst einmal herzhaft und schaust froh aus dem Fenster. 

Etliche Schwebewölkchen segeln dort vorbei und wippen grüßend. 

 

Viel Kraft, Ruhe und jede Menge Frohsinn und Leichtigkeit 

hast Du getankt auf Deiner Wolkenreise - 

und dies nimmst Du mit in den neuen Tag.

 

Du freust Dich auf diesen Tag 

und auf Deine neuen Freunde, 

denen Du nun viel Aufregendes zu berichten hast.

 

Und wer weiß? 

Vielleicht haben sie ja auch einmal Lust, 

Dich zu begleiten?